HAMMEL- SPRüNGE DER KäSEFLüSTERER Viele meinen es ja eher negativ, wenn sie sagen: „Was für ein Käse.“ Das ist bei mir ganz anders. Ich bin ein Käsebefürworter, ein Käseverzehrer, ein Käseverehrer, aber kein Käsuit, zumal ich dafür erst einmal wissen müsste, was das ist. Aus meiner Sicht sollte man dieses schmack- hafte aus Milch gewonnene Lebensmittel ein- reihen in die Glücklichmacher. Man sagt doch: Schokolade macht glücklich und Nudeln machen glücklich. Käse macht auch glücklich, und damit meine ich jetzt nicht die Käse- verkäufer. Ich sag es Ihnen ganz ehrlich. Als Kind habe ich nur eine Sorte gegessen: die einzeln ver- packten quadratischen Scheiben, die auch amerikanische Fast Food-Ketten benutzen. Ich habe sie schon vernascht, bevor es in Deutschland diese amerikanischen Fast Food- Ketten gab. Eine Toastscheibe, Butter, eine dunkelgelbe Käsescheibe, noch eine Toast- scheibe, noch mal Butter, noch eine Käse- scheibe. Schön zusammengedrückt, damit die Toastwärme den Käse ein wenig zum Schmelzen bringt. Herrlich. Konnte ich drei Stück von essen, obwohl ich damals echt ein Spargel war, ein Spargel, der keinen Spargel mochte, was nicht so ungewöhnlich war, der auch keinen Querdurchdengartengemüseein- topf mochte, was mir fast normal erschien, der keinen Fettrand bei Schinken oder gebratenem Fleisch mochte, was keineswegs außergewöhn- lich war. Bei Käse auf Level 1 stehen geblieben zu sein und nur eine bestimmte Sorte Scheibletten zu essen, das führte bei meinen Cousinen und Cousins regelmäßig zu Kopfschütteln. Umge- dreht konnte ich nicht begreifen, wieso sie voller Vorfreude in der guten Stube herumhüpften, nur, weil meine Tante ein Stück Gouda für jedes Kind in Aussicht gestellt hatte. Sie taten, als hätten sie einen Freimarktverzehrgutschein bekommen im Wert von vier Waffeln, drei Sahneeisportionen, zwei Liebesperlenfläsch- chen und einer Zuckerwatte mit einem Durch- messer von einem Meter. Dann entdeckte meine Mutter das Hawaiitoast. Meine Brüder und ich aßen es. Es schmeckte himmlisch. Und das lag auch an dem Käse. Es war Gouda. Und von diesem Tag nervte ich meine Mutter damit, doch auch andere Gerichte mit Käse zu überbacken. Das führte dazu, dass meine liebe Mutter etwas für die ganze Familie kochte und mir wurde insofern eine Extrawurst gebraten, als ich auf alle möglichen Speisen Käse bekam, oft musste meine Spezial- portion noch in den Ofen. Und so gab es, als ich zehn Jahre alt war, nur für mich, Rouladen mit Käse überbacken oder Käsekartoffeln, Käserahmspinat, später panierte Schnitzel mit Käse überbacken, Kohlroulade mit Käsefüllung, Lasagne, Schmelzkäseknödel, Ei in der Käse- hülle und Käse in der Eihülle. Mmmmh lecker. Was ich zunächst nicht wusste: Meine Mutter hatte immer wieder unterschiedliche Käse- sorten ausprobiert. Und ich mochte sie alle. Als sie es mir erzählte, machte ich große Augen. Dann probierte ich Stück für Stück die Käsesorten aus, die ich nur geschmolzen kannte. Erst in hauchdünnen Scheiben, dann normal auf Brot, danach pur. Und ich mochte sie fast alle – bis auf extremen Stinkerkäse. Aber da traue ich mich seit einiger Zeit auch dran. Allen, die nicht so auf dem Käsetrip sind, emp- fehle ich, einfach mal Urlaub auf einer Insel zu machen, auf der es nichts zu essen gibt, außer Käse, Brot und ... sagen wir ... Retsina ... es wäre in diesem Fall also einfacher, Urlaub auf einer griechischen Insel zu machen. Und dann fasten Sie, trinken nur Wasser – eine Woche lang. Wenn Sie dann wieder Lebensmittel zu sich nehmen wollen, werden Sie eher bereit sein, das zu essen, was auf den trapézi kommt. Und dann werden Sie vermutlich merken, dass die traditionelle Knastkost psomi und neró Ihnen nicht reicht und zum Schafs- käse oder zum Ziegenkäse greifen. Okay, hier gehen die Meinungen auseinander. Es wird Käsegegenargumente geben im Sinne von: „Ich werde ja auch nicht auf einer Papagei- eninsel plötzlich Papageien verzehren.“ Man muss ja nicht die spartanische Insel- methode wählen, um ein höheres Käselevel zu erreichen. Es gibt eine zweite, zugegeben sehr umstrittene Methode, sich an Käsesorten her- anzuwagen, von denen man bislang Abstand genommen hat: Man geht an eine Käsetheke und kauft ein kleines Stück unbekannten Käse. Bei dieser eigenwilligen Methode hat sich her- auskristallisiert, dass man vorher einen beson- deren Service in Anspruch nimmt, der – kaum vorstellbar für manche Menschen – umsonst ist: Man lässt sich vorher von einem Käsefach- verkäufer beraten. Warum erzähle ich Ihnen das alles? Nun, weil die Welt des Käses eine Welt voller Missver- ständnisse ist. Nun, warum wähle ich diese Worte? Einfach nur, um Ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Nun, warum möchte ich, dass Sie mir käsetechnisch folgen? Weil Käse glücklich macht. Das weiß man aber erst, wenn man eintaucht in Schmelzkäse, Käsefondue oder Gorgonzolasoße. Also, bildlich gesprochen. Ich möchte – das ist Ihnen nicht verborgen geblieben – eine Leerdammer-Lanze brechen für die Käsesorten dieser Welt. Ich wünsche mir, dass dieses tolle, facettenrei- che, manchmal lustig-löchrige Lebensmittel noch mehr Aufmerksamkeit bekommt. Ich schließe meine Ausführungen mit einigen Zitaten, die zum Umdenken anregen sollen ... oder zumindest zum Denken ... na, wenigstens zum ken. „Wer Käse isst, der ist ein guter Mensch. Käselose haben keine Leiber.“ „Glücklich ist, wer nicht vergisst, was durch Käse zu verändern ist.“ „Wer als Dreikäsehoch keinen Käse mag, kann trotzdem Vierkäsebreit werden.“ „Allgäuer Bergkäse, Brie und Chester, seid mein Bruder, seid meine Schwester.“ „Käse, mein lieber Einstein, Käse ist keinesfalls relativ.“ Googeln Sie nicht, die Zitate sind alle von mir. Sie sollen nur noch einmal hervorheben, wie wichtig mir Käse ist. Es gibt noch viel zu tun. Es gibt zwar Käseseminare, Urlaub in Edam und Käsefachbücher. Aber es fehlt noch einiges: Ich wünsche mir Hartkäseumarmer, Weichkäsemassagen und einen Käseflüsterer für Oberneuland. Die nächste Ausgabe vom OBERNEULAND MAGAZIN erscheint am Freitag, 29.11.2019 – Redaktionsschluss: 04.11.2019 146 OBERNEULAND