HAMMEL- SPRüNGE HERBSTLICH WILLKOMMEN oder Unsortierte Gedanken zu einer der vier wichtigsten Jahreszeiten oder der fünf, wenn man den Freimarkt dazu zählt Um den Herbst zu verstehen, muss man das Frühjahr erlebt haben, hat einmal ein Oberneu- lander Mitbewohner gesagt, der nicht ganz dicht ist im Oberstübchen, und ich glaube, ich habe recht. Größer können die Gegensätze kaum sein, und das bei ähnlichen Höchst- temperaturen. Manche sagen ja, im Frühjahr war alles besser, im Sinne von früher war alles besser. Ich aber sage Euch: Wenn die Zeit anders herum laufen würde und auf den Dezember der November folgen würde, dann wäre der Herbst viel früher als das Frühjahr. Okay, das hilft Ihnen weder im Büro noch auf dem Feld, weder in der Gaststätte noch in der Werkstatt weiter. Aber, ich frage Sie, Sie und vor allem Sie: Was hilft Ihnen überhaupt weiter, wenn es um Herbstgedanken geht, die nicht unbedingt herbstliche Gedanken sein müssen? Mir beispielsweise kommt gerade im Herbst immer Sommerliches in den Kopf – gerne über die Augen, denn wenn die Tage kürzer werden, dann gucke ich saugerne Sommerurlaubsfotos auf meinem Smartphone. Sind diese kleinen handlichen Hosentaschencomputer nicht ein Segen für die Menschheit?! Man trägt alles mit sich herum: Taschenrechner, Kontoaus- züge, Wetter-Infos … oh, mein Chef hat mir gerade über die Schulter geschaut, ähm (räusper) … Man trägt alles mit sich herum: Herbsttaschenrechner, Oktoberkontoauszüge, Infos über Regen und Stürme und natürlich die Fotos, die man im Sommer im Urlaub gemacht hat. Die Zeit der langweiligen Dia-Abende, bei denen man die Augen mit Streichhölzern davon abhalten musste, sich zu schließen, ist vorbei. Es lebe die Zeit der langweiligen Smart- phone-Foto-Wisch-Abende, bei denen man die Augen mit alten SIM-Karten davon abhalten muss, sich zu schließen … (räusper), also SIM-Karten, die den Herbst ihres digitalen Lebens schon lange hinter sich haben. Die Vielfalt des Herbstes drückt sich in der Vielfalt der Blätter aus, ich meine, der Blätter in Büchern, die sich poetisch mit dem Herbst auseinandersetzen: Hermann Hesse, Rainer Maria Rilke, Wilhelm Busch, Theodor Storm und Christoph Maria Herbst. Ich frage Sie: Nannte man Hesse nicht Hermann Herbst Hesse? Hatte Rilke nicht den Spitznamen Traubenleser? Wurde Busch nicht von seinen Freunden Wilhelm Blattlos genannt? War Storm nicht nur ein gewöhnlicher Theodor Sturm, der nach internationalem Erfolg strebte, der vor allem den englischen Literatur- markt erobern wollte? Wie passt Christoph Maria Herbst zu all diesen berühmten Herbst- literaten? Nun, auf diese fünf Fragen gibt es fünf klare Antworten: 1. Nein. 2. Nein. 3. Nein. 4. Nein. 5. Gar nicht. Okay, einige von Ihnen denken vermutlich: Was ist das für ein Wirrkopf … (räusper) … was ist das für ein Herbstwirrkopf? Denen möchte ich aber entgegenhalten, dass nur die eine Hälfte von mir ein Wirrkopf ist. Die andere Hälfte teilt sich ein Zahlen-Nerd mit einem Sammel- süchtigen, und zwar nicht fifty-fifty, sondern 73 zu 27. Das klingt sehr kompliziert. Ist es ja auch. Was ich sagen möchte (räusper), ich komme zurück auf den Herbst. Man redet ja auch vom Herbst des Lebens. Teilt man das Leben eines 80-Jährigen in vier gleichgroße Teile und verteilt sie auf die Jahreszeiten, dann ergibt sich: 1 bis 20: Lebensfrühjahr, 21 bis 40 Lebenssommer, 41 bis 60 Herbst des Lebens, 61 bis 80 Winter des Lebens. Die Menschen werden aber älter. Welche Jahreszeit kommt nach dem Winter? Sind Menschen von 81 bis 100 in der fünften Jahreszeit des Lebens? In Oberneuland und umzu hat die fünfte Jahreszeit ja einen Namen: Freimarkt. Ist man also als rüstige Oma oder vitaler Opa im Lebensfreimarkt? Ich würde sagen: ja. Das ist doch vollnachziehbar, ich meine, nachvollziehbar, oder? Aber jetzt kommt ein ganz anderer Aspekt hinzu (räusper) zu meinen Herbstgedanken: Man sagt ja: 60 ist das neue 40. Finde ich auch, also jetzt, wo ich lange keine 40 mehr bin. Was bedeutet diese 60=40-Aussage für die Jahreszeiten? Na, logisch. Ich fange mal von hinten an: Die fünfte Jahreszeit, sprich der Lebensfreimarkt, beginnt erst ab 101. Mit 80 bis 100 ist man im Lebenswinter, mit 60 bis 80 genießt man den Lebensherbst, mit 40 bis 60 ist man im Sommer des Lebens, mit 20 bis 40 ist man im Frühling des Lebens und mit 1 bis 20 ist man nichts. Sorry. Nein, das war nur ein Scherz. Mit 1 bis 20 ist man … ähm … im Vorfrühling, in der nullten Jahreszeit. Tja, jetzt habe ich mich irgendwie verheddert, könnte man meinen, aber das ist nicht so, denn ich habe diese letzte Einteilung in Jahreszeiten vor allem für die Leserinnen und Leser geschrieben, die weiter oben gedacht haben: „Moment mal. Von 41 bis 60 soll bereits der Herbst des Lebens sein? Der spinnt wohl.“ Und einige über 60-Jährige waren bestimmt not amused, als ich sie verbal in den Winter des Lebens gesteckt habe. Jetzt ist alles wieder im Lot. Im Jahres- zeitenlot, wenn man so will. Freuen wir uns also auf den Herbst, aufs Teetrinken, auf Brettspiele, auf Seriengucken, auf bunte Blätter (räusper) und auf Herbst- zeitlose. Wissen Sie, wo man die bekommt? Na, auf dem Freimarkt. Ja, ich habe es erst auch nicht verstan- den. Aber beim dritten Lesen habe ich es dann kapiert. Die nächste Ausgabe vom OBERNEULAND MAGAZIN erscheint am Mittwoch, 30.10.2019 – Redaktionsschluss: 02.10.2019 146 OBERNEULAND